Ein Tagebucheintrag von Mr. Stevens

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Ein Tagebuch Eintrag von Mr. Stevens nach dem Tod von seinem Vater:

…Heute war ein ganz schrecklicher Tag. Mein Vater ist verstorben und ich konnte mich noch nicht einmal von ihm verabschieden. Er war schon alt und hat in letzter Zeit immer mehr abgebaut. Ich war sprachlos als ich es hörte, jedoch konnte ich nichts mehr für ihn tun. Ich habe es kommen sehen, immer und immer wieder. Es war klar, dass dieser Tag kommen wird, es war aber nicht klar, dass er so schnell und unerwartet kommen würde.

        Vielleicht war es noch einmal schön für ihn, dass er noch einmal als Butler arbeiten durfte. Ich bin Lord Darlington auch sehr dankbar dafür, dass er ihn in seine Dienste mit aufgenommen hat. Vielleicht war mein Vater ja sogar froh darüber, dass er noch einmal in meiner Nähe sein konnte und das er noch einmal als eine Vorbild für mich da sein durfte. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass dies der Fall gewesen ist, auch wenn es sich nicht immer so angehört hat und er es auch nie wirklich so rüber gebracht hat. Ich bin auf jeden Fall stolz auf meinen Vater und kann voller sehr großem Stolz und Respekt von ihm sprechen.

        Für manch Anwesende war es vielleicht im ersten Moment merkwürdig, dass ich nicht zu ihm ans Sterbebett gegangen bin, aber es ist nun einmal so, dass er es wahrscheinlich so gewollt hätte. Denn er hat mir ja immer wieder gerne die Geschichte von dem Butler in Indien erzählt, der einen Tiger erschießen musste, während eine sehr große und wichtige Feier abgehalten wurde. Er hat es mir immer wieder verdeutlicht, wie souverän der Butler in Indien den Tiger vollstreckte, ohne, dass auch nur ein einziger Gast etwas davon bemerkte. Mein Vater wollte mir mit dieser Geschichte immer wieder verdeutlichen, was einen großen, beziehungsweise würdevollen Butler ausmacht. Mein Vater war selbst einer der größten Butler von ganz England, auch er hat ähnlich große Taten vollbracht. Aus diesem Grund, habe auch ich mich dafür entschieden weiter die Gäste zu bedienen, anstatt zu meinem Vater zu gehen und eine Schwäche als Butler zu zeigen. Natürlich habe ich trotzdem Tränen vergossen, dennoch würde ich selber sagen, dass ich würdevoll und souverän gehandelt habe. Mein Vater hätte es sich womöglich genauso gewünscht. Mr. Kenton konnte dies jedoch nicht wirklich nachvollziehen, wenn sie meine Begründung hören würde, dann würde sie mir aber möglicherweise bei diesem Punkt recht geben.

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        Ich hatte nie ein ausgesprochen gutes Verhältnis zu meinem Vater. Dennoch waren wir beruflich und psychisch auf einer Wellenlänge. Außerdem war er immer ein Vorbild für mich, ich wollte genauso weit in meiner Butler-Karriere kommen wie er, letztendlich habe ich sogar mehr erreicht als er und ich weiß noch nicht einmal ob er stolz auf mich ist. Das ist mir auch gar nicht so wichtig. Ich möchte nicht so enden wie er, ich möchte nicht bis zu meinem Tod als Butler tätig sein, ich möchte mich irgendwann davon distanzieren und die restliche Zeit den wesentlichen Dingen des Lebens widmen. Vielleicht ...

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