Zahlen zum Rechtsextremismus von Skinheads und Jugendlichen in Ostdeutschland
Laut dem Verfassungsschutzbericht des Jahres 2000 werden derzeit 50600 Personen der rechtsextremen Szene in Gesamtdeutschland zugerechnet. 39000 von ihnen sind in rechtsextremen Parteien oder Organisationen organisiert, davon sind ca. 9500 dem gewaltbereiten rechts- extremen Spektrum zuzuordnen und ca. 3000 der organisierten neonazistischen Szene.
Überproportional viele Rechtsextremisten wohnen, gemessen an der pro- Kopf-Bevölkerung, in den neuen Bundesländern(50%), obwohl die Bevölkerung in den neuen Bundesländern lediglich 21% der Gesamtbevölkerung in der Bundesrepublik ausmacht.
Insgesamt 51% der 15950 gemeldeten rechtsextrem motivierten Straftaten wurden im Jahr 2000 in Ostdeutschland begangen. Sogar 85 % der 998 schweren Gewalttaten wie z. B schwere Körperverletzung oder versuchte Tötungsdelikte wurden im Jahr 2000 dort begangen.
Insgesamt rund 60% der verübten Straftaten sind Propagandastraftaten (Verbreitung verfassungsfeindlicher Schriften, Verunglimpfungen etc.).
75% der ausschließlich männlichen Täter werden den rechtsextremen Jugendszenen (Hooligans, rechte Jugendcliquen und vor allem Skinheads) zugeordnet, wobei die rechte Skinheadszene mit geschätzten 80% aller rechtsextrem motivierten Straftaten die größte Gruppierung in diesem Bereich darstellt.
Die Abgrenzungen zu den anderen genannten Gruppierungen sind aber äußerst diffus und lassen sich z.B. für die Polizei oder Pädagoge/Innen oft nur schwer differenzieren.
Insgesamt wird die Skinheadszene in der BR Deutschland auf 8000 Personen geschätzt, wovon 6500 dem gewaltbereiten rechtsextremistischen Spektrum zugeordnet werden.
Laut einer umfangreichen Studie des Berliner Zentrums für demokratische Kultur von 1998, bei dem 1200 ostdeutsche Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen 16 und 24 Jahren befragt wurden, sympathisieren 30% der Befragten mit den Straftaten rechtsextremer Skinheads (im Westen 10%). Ebenso wünschten sie sich eine völkische und rassistische Ausrichtung der gegenwärtigen Politik.
Diese ist gekoppelt mit einer strikten Ablehnung alles vermeintlich Leistungsunfähigen- und willigen sowie Fremden (Sozialhilfeempfänger/Innen, Homosexuelle, Linke und Immigrant/Innen), die einher geht mit einer hohen Bewertung der Begriffe Leistung, beruflicher Erfolg und materieller Wohlstand. Fazit dieser Studie ist, dass sich in den kulturellen Einflusssphären von Jugendlichen in Ostdeutschland ein breit angelegter rechter Lebensstil durchgesetzt hat, in dem ,, alle Werte und Stile, Ideologien und Moden“ koexistieren können, sofern sie die rechtsextreme Ideologie als richtig akzeptieren.
Das Altersspektrum der gewaltbereiten Jugendlichen und jungen Erwachsenen reicht von 14 - 30 Jahren in Ostdeutschland.
Bezüglich rechtsextrem motivierter Straftaten stellt aber die Gruppe der 17-21-jährigen genauso wie in Westdeutschland die mit Abstand größte Altersgruppe in Ostdeutschland (75%).
In dieser Altersgruppe findet sich ein auffällig hohes Potential an gewaltbereiten Einstellungen gegenüber anderen Jugendszenen und vor allem Ausländer/Innen. Ebenso ist hier die Bereitschaft politische Ziele mit Gewalt durchzusetzen sehr stark ausgeprägt (80%) und verbunden mit einem generell engstirnigen und fremdenfeindlichen Menschenbild.
75% der rechtsextremen Straftäter in Ostdeutschland leben in strukturarmen Regionen wie z. B Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und vor allem Brandenburg, in dem die Wahrscheinlichkeit 27- mal(!) so hoch ist Opfer eines rechtsextrem motivierten Gewaltverbrechens zu werden als in Westdeutschland.
Hauptziele rechtsextremer Übergriffe sind vor allem Immigrant/Innen, Punks und Obdachlose oder generell alle, die als „Nicht-Deutsch“ im Sinne der rechtsextremen Ideologie gelten, sowie Asylbewerber/Innenunterkünfte, jüdische Einrichtungen und Gedenkstätten.
Anhand dieser Zahlen, die sich weitgehend fortsetzen ließen, wird deutlich, dass in Ostdeutschland ein überproportionales Potential an rechtsextremen Orientierungen, als auch Gewalt bei Jugendlichen vorhanden ist.
Die rechtsextreme Skinheadszene gilt dabei als die problematischste Gruppe in der gewaltbereiten rechtsextremen Szene in Ostdeutschland.
Zur Biografie von Ex-Neonazi Ingo Hasselbach
Ingo Hasselbach war einer der führenden Neonazis und der erste Chef einer neofaschistischen Partei in der DDR. Nach den Morden von Mölln entschloss er sich aus der Szene auszusteigen und machte das mit seinem Bestseller "Die Abrechnung" öffentlich. Noch heute erhält er Morddrohungen und ist im Zeugenschutzprogramm der Polizei. Aber dennoch war er stark und entschlossen genug, sich für andere Aussteiger aus der rechten Szene einzusetzen und ihnen zu helfen ihrem Leben einen Sinn zu geben (Hilfsorganisation: Exit).
1967
wird Ingo Hasselbach am 14. Juli in Berlin-Weißensee geboren.
Seine Mutter ist allein stehend und Journalistin bei der großen DDR-Nachrichtenagentur ADN. In den ersten Jahren wachsen er und sein jüngerer Bruder Jens bei den Großeltern auf. Seinen Vater hat er damals nicht kennen gelernt, denn der ist mit einer anderen Frau verheiratet. (nebenbei: Sein Vater ist Intendant des Senders „Stimme der DDR“)
1971
Ingos Mutter heiratet einen Kollegen, den Chefredakteur derselben Agentur und zieht mit ihm und ihren Kindern in eine Wohnung in einem Neubaugebiet.
1973
Ingo wird eingeschult und bald ist er Mitglied der Jungpioniere wie fast alle Schulkinder der DDR
1980
wird Ingo aufgrund von Alkoholdiebstählen (da er noch nicht volljährig ist) ein Fall für den Jugendwerkhof (Arbeitshaus für schwer erziehbare und sozial auffällige Jugendliche)-> 1 Jahr Bewährung, sowie ein Aufenthaltsverbot für das Stadtviertel Lichtenberg (Umzug zum Vater)
1985
wird er erstmals wegen Rowdytums verurteilt. (Geldstrafe von 2000DM)
März - Oktober 1987
verbüßt er von März bis November seine erste Gefängnisstrafe.
Grund ist sein öffentlicher Ausruf "Die Mauer muss weg!".
Verbüßung der Strafe in Rummelsburg, Bitterfeld und Rüdersdorf
Ende 1987
Arbeit als Aushilfskraft (Haushandwerker)
1988
Erste neonazistische Aktivitäten: Gründung der „Lichtenberger Front“ / „Bewegung 30. Januar“
November1988
Verurteilung zu zehn Monaten auf Bewährung wegen „öffentlicher Herabwürdigung“
August 1989
Versuch einer „Republikflucht“ über die Tschechoslowakei. Inhaftierung bis Nov 1989
6. November 1989
Flucht in die Bundesrepublik Deutschland (drei Tage vor dem Fall der Mauer).
Januar 1990
Treffen mit der Führungsriege der bundesdeutschen Neonazis, Kontakte zu Michael Kühnen und diversen anderen Neonazi-Größen.
1.Februar 1990
Gründung der „Nationalen Alternative“ (NA), Parteizentrale wird die Weitlingstraße 122 in Berlin-Lichtenberg
Mai 1990
Sechs Wochen Untersuchungshaft in Berlin-Rummelsburg wegen Verbreitung faschistischen Materials
Juni 1990
Erste internationale Kontakte in die USA, nach Spanien, Italien, Frankreich, Belgien und Dänemark
Oktober 1990
Wahl zum Parteivorsitzenden der NA
Januar 1991
Mitarbeit am Sozialprojekt von Sozialdiakon Michael Heinisch in der Pfarrstrasse 108 (Berlin-Lichtenberg)
März 1991
Niederlegung aller Parteiämter und Austritt aus der NA
März bis Juli 1991
Beteiligung an Straßenschlachten mit Linksradikalen und Angriffen auf das Haus Pfarrstraße 111
Oktober 1991
Erneut Straßenschlacht mit Linksradikalen in der Pfarrstraße. Auf beiden Seiten sind Schwerverletzte zu verzeichnen
November 1991
Entlassung auf Druck der militanten „Antifa“ aus dem Sozialprojekt Pfarrstraße. Das Projekt ist damit gescheitert.
Dezember 1991
Wiederbeginn von Aktivitäten in der rechten Szene. Dreharbeiten zu einem Film „Wir sind wieder da“.
März bis Juli 1992
Leitung von regelmäßigen Schulungsabenden und Wehrsportlagern. Angriffe auf linksbesetzte Häuser
Juli 1992
Gründung der Kameradschaft „Sozialrevolutionäre Nationalisten“
September 1992
Rostocker Pogrom und Angriff auf die „Antifas“
Oktober 1992
Morde von Mölln
Dezember 1992
Ausstrahlung des Films „Wir sind wieder da“
Januar 1993
Eine Gerichtsverhandlung wegen Körperverletzung endet mit Freispruch
Februar 1993
Ausstieg aus der rechten Szene
März 1993
Öffentliche Bekanntmachung dieses Ausstiegs
Zahlreiche Auslandsaufenthalte. Arbeit an dem autobiographischen Bericht „Die Abrechnung“.
Die rechtsextreme Szene reagiert darauf mit einer Buchbombe, die an Hasselbachs Mutter geschickt wird und nur durch einen glücklichen Zufall nicht explodiert. Laut Hasselbach steht auch sein damals bester Freund unter dem Verdacht, die Bombe geschickt zu haben.
1994
legt Hasselbach beim Bundeskriminalamt eine "Lebensbeichte" ab. Er belastet sich und andere schwer. Die Folge: Im November 1997 wird er wegen eines Brandanschlags auf einen links-alternativen Jugendklub zu zwei Jahren auf Bewährung und 1000 DM Geldstrafe verurteilt.
1995
reist er erstmals in die USA, um mit dem dortigen Verlag seines Buches zu sprechen. Zufällig kommt er genau am Tag des Bombenanschlags von Oklahoma an, bei dem 168 Menschen sterben. In der New York Times veröffentlicht er daraufhin einen vielbeachteten und auch in Deutschland (Die Zeit) erschienenen Artikel über terroristische Aktivitäten der rechten Szene.
1996
veröffentlicht Hasselbach das Buch "Die Bedrohung - Mein Leben nach dem Ausstieg". Außerdem beginnt er mit seinem Engagement gegen die Todesstrafe.
1997
absolviert er ein Volontariat bei der Berliner Zeitung.
Heute
arbeitet Hasselbach noch immer als Journalist. Er ist Mitbegründer der Neonazi-Ausstiegshilfsorganisation EXIT.
Der Ansatz
- Seit Herbst 2000 arbeitet die Initiative Exit – unterstützt von der Stern – Aktion „Mut gegen rechte Gewalt“ – bundesweit.
- EXIT will der rechtsextremistischen Szene ihr wichtigstes Element entziehen: ihre Aktivist/Innen.
- Es bietet Ausstiegswilligen eine Perspektive jenseits des braunen Milieus
- Ehemalige Rechtsextremisten wirken vertrauenswürdig und lassen bei den Hilfesuchenden nicht das Gefühl von Angst vor Beschämung, vor Rache oder Verfolgung aufkommen
- Deren Ich ist so schwach, dass sie den Ausstieg nicht alleine schaffen würden und somit Personen da sind, die ihnen helfen. Es muss z.B. Leute geben die mit ihnen zur Behörde gehen, weil sie sich beschämt fühlen und Ablehnung erwarten.
- Jede/r die/der aus der rechten Szene gelöst werden kann ist ein gesellschaftlicher Gewinn
- Da diese Szene niemanden widerstandslos frei gibt, ist es notwendig, die bisherige Lebenswelt zu verlassen und eine neue aufzubauen.
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Exit hilft! : Es vermittelt Kontakte und leistet praktische Hilfe, handelt aber auch präventiv, indem es Aufklärungsarbeit leistet.
Wer kommt für EXIT in Frage?
- Zuerst einmal diejenigen, die sowieso eine gute Prognose haben: Die Selbstkritischen.
- Sie haben soviel Ich-Stärke, dass sie ihr eigenes Tun hinterfragen und sich lösen wollen.
- EXIT kann prinzipiell allen Personen helfen, die aus eigener Motivation die rechtsextreme Szene verlassen wollen
- Eine Arbeit mit aktiven Rechtsextremisten lehnt EXIT ab!
Wie funktioniert EXIT?
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Voraussetzung: die Herstellung des Erstkontaktes durch die ausstiegswillige Person
- Im zweiten Schritt analysiert EXIT gründlich die individuelle Situation und erstellt ein Bedürfnisprofil.
- Wichtig ist dabei, wo und wie jemand in die rechtsextreme Szene involviert war, wie seine persönliche und berufliche Situation aussieht.
- Ein bloßer Rückzug aus dem rechtsextremen Umfeld und der Verzicht auf Straftaten allein sind für EXIT noch kein Kriterium für einen erfolgreichen Ausstieg.
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Schwerpunkt: inhaltliche Aufarbeitung des rechtsextremen Weltbildes und der in der rechtsextremen Szene angeeigneten, unsozialen Verhaltensweisen.
- Von Aussteigewilligen werden Eigeninitiative und Eigenverantwortung erwartet, dies gilt auch im Falle strafrechtlich relevanter Taten.
- EXIT schützt nicht vor strafrechtlicher Verfolgung!
Ziel Neuorientierung
- Mitglieder der Szene müssen beim Ausstieg ihre rechtsextremen Bezüge und Ideologien verlassen.
- EXIT bietet Aussteiger/Innen die Möglichkeit, neue Perspektiven zu entwickeln und Alternativen aufzubauen
- Exit macht Angebote, die der individuellen Lebenssituation der Betroffenen entsprechen.
Vernetzung
- Die Zusammenarbeit mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen und ehrenamtlichen Mitarbeitern ist ein wichtiges Element unserer Arbeit, denn nur so können Fälle dezentral bearbeitet und optimal betreut werden.
Konzept
- Dieses exportreife Konzept ist in 5 Phasen unterteilt:
- Phase 1 = Motivationsphase: Die Mitarbeiter sprechen mit dem Ausstiegswilligen (Bsp. : Ich vertraue dir. Du kannst es schaffen. Du bekommst eine 2. Chance.)
- Phase 2 = Ausstiegsphase: Alles muss sehr schnell gehen. Trennung von der Gruppe, kein Hinterlassen von Spuren, Umzug in eine andere Stadt.
- Phase 3 = Etablierungsphase: Mit Hilfe von EXIT wird eine Arbeit oder ein Studienplatz gesucht.
- Phase 4 = Reflexionsphase: Auseinandersetzen mit der Vergangenheit
- Phase 5 = Stabilisierungsphase (bei gelingen der Phase 4): Abkapselung zu EXIT, Versuch immer selbstständiger zu werden.
Insgesamt soll der Hilfesuchende nicht nur radikal mit seiner Vergangenheit brechen, sondern diese Zeit auch psychisch verarbeiten. Sie brauchen neue Umfelder und juristischen Beistand. Trotzdem muss jeder für seine Taten einstehen.
Vor allen Dingen muss man sich bewusst sein, dass eine Neonazi-Gruppe den Charakter einer Sekte hat. Aussteiger werden zusammengeschlagen, verfolgt und müssen mit der tödlichen Rache einstiger Kameraden rechnen.
- Die Opferperspektive Brandenburg besteht seit 3 Jahren und es gibt keine weitere vergleichbare Einrichtung in Deutschland (Das Engagement jedoch ist schon seit 1990 vorhanden)
- Sie selbst betiteln sich als Vollzeit – Ehrenamtliche, da es keine Honorare und Büros gibt
- Deshalb gibt es auch nur so wenige Mitarbeiter, da es sich niemand leisten kann, voll zu arbeiten ohne einen Cent zu verdienen.
- Aber dennoch geht die Arbeit weiter: Die Mitarbeiter haben ein Netzwerk aufgebaut, um früh genug über die Situation Bescheid zu wissen
- Mittlerweile gibt es Kontaktpersonen in ganz Brandenburg:
- Ausländerbeauftragte, Jugendclubleiter, alternative Jugendliche, die über die lokalen Verhältnisse Bescheid wissen und Alarm schlagen, wenn sich wieder etwas in den „national befreiten Zonen“ zusammenbraut.
- Da auch die Rechten nicht ganz untätig sind, wissen die natürlich auch, wo sie wieder zuschlagen können (meist in Bahnhofsnähe)
- Sogar schon 13jährige beteiligen sich an diesen rechtsextremistischen Überfällen, da sie noch nicht strafmündig sind.
- Sobald jemand Hilfe benötigt, fahren sie raus und reden mit dem Opfer.
- Das Zuhören ist bei diesen Gesprächen immer das Wichtigste -> einfach da sein!
- Oft sind die Geschädigten Asylbewerber und können nur sehr schlecht deutsch, deshalb wird nach den ersten „Sofortmaßnahmen“ ein Psychologe gesucht, der die benötigte Sprache spricht.
- Dieser soll ihm bei der Bewältigung der des Traumas zur Seite stehen
- Danach wird ein Anwalt gesucht und auch bei der Gerichtsverhandlung werden die anwesend sein.
- Außerdem kümmern sie sich darum, dass körperliche Schäden, die durch den Angriff der Rechtsextremisten verursacht worden sind, behandelt und behoben werden.
- Zuletzt wird noch dafür gesorgt, dass jene Opfer nicht mehr in dem Heim leben müssen, sondern an einen sicheren Ort untergebracht werden, wo sie nicht mehr um ihr Leben fürchten müssen.
„ In unserer Arbeit stehen die Opfer im Mittelpunkt, nicht die Täter.“
- Diese Art des Kampfes gegen Rechtsextremismus ist daraus entstanden, dass bisher die Arbeit mit rechten Jugendlichen nie richtig funktioniert hat
- Außerdem wurden dann nicht mehr die Opfer als Opfer angesehen, sondern die Täter
- Die rechten Jugendlichen sagen frech in die Kamera, dass sie das Fehlen eines Jugendclubs dazu veranlasst hat, einen ausländerfeindlichen Überfall zu planen -> als „Belohnung“ gibt es dann noch einen Jugendclub
Probleme:
Neben den offensichtlichen Problemen des Rechtsextremismus gibt es noch weitere Faktoren, die den Mitarbeitern das Leben schwer machen:
- Die Behörden lehnen eine psychologische Betreuung der Opfer ab, da es das Asylbewerbergesetz eigentlich nicht vorsieht.
- Polizisten ordnen Täter so gut wie nur in die rechtsextremistische Szene ein, wenn eine „Glatze“ drauflos prügelt und gleichzeitig noch „Sieg Heil“ brüllt.
- Unterschriftenkampagnen gegen Ausländer und die Organisation, dass Asylbewerber in Ghettos gehalten werden und ihnen jede Form der Erwerbstätigkeit untersagt wird, sind große Probleme, die von den Politikern stammen.
Der sozialisationstheoretische Ansatz:
- Defizite in der Sozialisation von Jugendlichen
- gesellschaftliche Desintegration und rechtsextreme Denk- und Handlungsmuster
- eine momentane Risikogesellschaft und die Möglichkeit allein und selbstständig Entscheidungen zu treffen
- Jugendliche werden in Orientierungsdilemma getrieben
- Durch die Enttraditionalisierung und dem Verfall soziokultureller Milieus, die Pluralisierung der Lebensformen und die gestiegenen Verhaltensanforderungen der Freizeit- und Arbeitswelt, werden demzufolge rechtsextreme Denk- und Handlungseinstellungen von den Jugendlichen begünstigt
· Mit persönlicher Identität ist die Einmaligkeit und Einzigartigkeit des Individuums gemeint. Dabei bezeichnet die Summe bisheriger lebensgeschichtlicher Erfahrungen „die Grundlage des Selbstbildes“.
· Soziale Identität meint, dass das Individuum in einem gesellschaftlich vorstrukturierten Raum platziert und Handlungsanforderungen ausgesetzt ist.
· Persönliche und soziale Identität stehen nun in einem Spannungsverhältnis zueinander und bilden die Grundlage einer sich entwickelnden eigenständigen Identität
- Demzufolge begünstigen Beschädigungen der Identität und der daraus resultierende Selbstbewusstseinsverlust rechtsextreme Orientierungen von Jugendlichen.
- gesellschaftliche Desintegration von Jugendlichen: auf der sozialen, beruflichen und politischen Ebenen (Familiäres Milieu, Berufstätigkeit und Arbeitsorientierung, Peer-Groups, Schullaufbahn und Bildungsabschluss)
- Die milieubedingte Unterstützung für Jugendliche ist vielfach der Vereinzelung gewichen
- Ohne die Abfederung durch Milieus sind nun auch individuell nicht zu verantwortende gesellschaftliche Problemlagen von dem Einzelnen selbst zu bewältigen
- Entscheidend für die Attraktivität rechtsextremistischer Orientierungsmuster sind, wie von den Jugendlichen durch forcierte Modernisierungsanforderungen erzeugte Ohnmachtgefühle, Vereinzelungserfahrungen und Handlungsunsicherheiten individuell verarbeitet werden
- Jugendliche, die noch nicht völlig zu sich selbst gefunden haben, suchen sich Orientierung an anderen und sind somit sind sie ein leichtes für erfahrene Neonazis, als desorientierte Jugendliche rekrutiert und für ihre Sache zu gewonnen zu werden
- Die Situation von Jugendlichen in den neuen Bundesländern ist wesentlich prekärer als in Westdeutschland:
- Während sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt in Westdeutschland etwas entspannt hat, ist die Erwerbslosigkeitsquote von Jugendlichen in Ostdeutschland dreimal höher als in Westdeutschland. Ebenso zeigen sich seit dem Ende der DDR erhebliche gesellschaftliche Auflösungstendenzen in Ostdeutschland
- Es ist möglich, dass allein das Bedrohungsszenario eines gesellschaftlichen Abstiegs Jugendliche aus Angst vor dem Verlust ihres Sozialstatus in die Arme rechtsextremer Gruppen treiben kann
Zusammenfassend kann man sagen, dass bei heutigen Jugendlichen durch diese "Enttraditionalisierungen" auf der sozialen und ökonomischen Ebene, verbunden mit einem immer stärker werdenden Leistungsdenken, Verhaltensunsicherheiten und Konflikte entstehen, die aufgrund von widersprüchlichen Verhaltensanforderungen bei den Heranwachsenden zu Anomie, d.h. zu Norm- und Orientierungslosigkeit, Vereinsamung und Verlassenheit, Angstzustände, Macht- und Hilflosigkeit führen, sowie die Bildung einer autonomie-orientierten Identität behindern kann.
Hinzu kommt noch, dass Gewalt als attraktiv empfunden wird (sie hinterlässt sichtbare Spuren) und sie somit ein Zeichen dafür ist, dass Ohnmacht ein Stück weit überwunden werden konnte.
- Wer am schnellsten zuschlägt, am coolsten drauf ist und am brutalsten agiert, der steht ganz vorn
- Der Einsteiger gilt zunächst mal als Weichei, als Feigling oder Gernegroß
- Er muss sich zunächst mal beweisen
- Die empfindsame Seite in sich selbst wird unterdrückt -> Hass
- Trotz des engen Zusammenhalts kann man dort nicht von Freundschaft sprechen: Die Identifikation funktioniert über Brutalität, Hass und Sadismus
Psychoanalyse:
„Rechtsextremisten haben meist eine sehr schlechte Beziehung zu sich selbst. Das gipfelt häufig in einer extremen Selbstablehnung und in Selbsthass. Entsprechend labil und schwach ist ihr Selbstwertgefühl. Das aber möbeln die Neonazis in ihren Cliquen auf. Da fühlen sie sich geachtet, da haben sie einen Wert, da sind sie wer.“
- In den Jugendlichen steckt eine strukturierte Persönlichkeit in einer bestimmter Ausrichtung
- Ein Selbstbild nach den Maßstäben der Gesellschaft
- Gewaltanwendung als soziale Technik
- Unberechenbarkeit im Sozialverhalten (bedingt auch durch eine Eigendynamik in den Gruppen
Der organisierte Rechtsextremismus nutzt diese Eigenarten geschickt und bindet Teile der rechten Jugend-Szene in ihre Organisation ein.