Freiheit ist ein bedeutendes Thema in der Schachnovelle. Manche Personen, und eine Person besonders, erfahren keine persönliche Freiheit. Dr. B, welcher monatelang in Gefangenschaft war, ist wohl derjenige, der am wenigsten frei in seinem Leben erfahren war. Trotz Freilassung aus der Isolationshaft, verfolgt ihn seine „Schachvergiftung“ sein Leben lang und führt soweit, dass er während der Partie mit Czentovic eine Partie mit sich selbst anfängt („Alles steht ganz falsch auf diesem Brett!“ S.108) und dadurch wieder zum Gefangenen wird. Er beginnt, genauso Auf und Ab zu gehen wie er in seiner Zelle gezwungen war es zu tun („schaudernd erkannte ich es, es reproduzierte unbewusst dieses Auf und Ab das Ausmaß seiner einstmaligen Zelle“ S.101).
Es existieren viele und auch signifikante Parallelen zwischen dem Leben Dr. B.s und Stefan Zweigs Exilleben. Beide haben es mit Einsamkeit zu tun. Stefan Zweig lebte in einem Land, dessen Sprache er nicht fließend konnte und die Menschen um ihn herum konnten kein Deutsch, die Sprache in der er, als Schriftsteller, Zauber schafft. Mit Dr. B. schaffte Stefan Zweig eine Figur in die er all die Einsamkeit, die er verspürte stecken konnte. Nicht nur das; er hat übertrieben und seine Figur soweit von der Welt abgeschottet, dass sie fast keinen wirklichen menschlichen Kontakt mehr hat („Nichts geschah. Man blieb allein. Allein. Allein“ S58).
Da er angefangen hatte sich Schachbücher zu kaufen und Meisterpartien nachzuspielen um damit die Einsamkeit zu vertreiben, wurde er angeregt, eine kleine Schachnovelle zu verfassen. Sowie Dr. B. von der Einsamkeit durch Schach erlöst wird, war Stefan Zweig durch das Nachspielen von Partien von seiner Einsamkeit abgelenkt. Beides war jedoch nur kurzzeitig. Es hat Stefan Zweig nicht wirklich befriedigt keinen Partner zu haben. Genauso wurde Dr. B. nur vorübergehend erlöst, denn bald darauf wurde er erneut zum Gefangen.
Die Novelle hätte auch ganz anders ausgehen können: Es bleibt bei der einen Partie, in der Dr. B den Schachweltmeister Czentovic schlägt und es ist damit gezeigt, dass Dr. B. mit Geisteskraft und Vorstellungsvermögen den Schachroboter bezwingen konnte, ohne einen Rückfall zu erleiden und somit von den Martyrien seiner Gefangenschaft und der „Schachvergiftung“ erlöst ist.
Stefan Zweig aber, ist in seinem Leben auch nicht davon losgekommen. Er konnte die Einsamkeit, diese geistige Gefangenschaft nicht überwinden. Für ihn war das Exilleben wie für Dr. B. die Isolationshaft im „Hotel“ der Gestapo, welche langfristig die Schachisolation zurückgelassen hat. Dr. B. kann der Tatsache, dass er beim Schachspielen zu einem Gefangen in seinem eigenen Geiste wird, nicht entkommen. Stefan Zweig kann der Tatsache nicht entkommen, dass er ohne das alte Vergnügen an seinen Werken arbeitet, kein Publikum mehr hat und dass er seine Werke nur für den Übersetzer schreibt. So drückt er es in einem Brief an seinen Freund Richard Friedenthal 1941 aus. Lion Feuchtwanger beschriebt dieses Gefühl, welches auch Stefan Zweig bei der Übersetzung deiner Werke gefühlt haben muss mit den Worten: „Es stimmt alles, es ist alles richtig, aber der Duft ist fort, das Leben ist fort.“.
Am 23. 2. 1942 vergiftete Stefan Zweig sich. Es ist zu vermuten dass er dies schon beim Schreiben der Schachnovelle wusste. Die psychische Krankheit, die Dr. B. hat, wird nämlich vom Erzähler „Schachvergiftung“ getauft („mit einer – wenn auch ausgeheilen Schachvergiftung soll man besser keinem Schachbrett zu nahe kommen“ S.96)