Ab den sechziger Jahren blieb ein Großteil der Arbeiter dauerhaft in Deutschland. Den beschäftigenden Unternehmen kam dies gelegen, denn so entkamen sie der wiederholten Ausbildung neuer Arbeitskräfte. Für den Arbeitnehmer bot nicht nur Deutschlands blühende Wirtschaft, auch Infrastruktur und Bildungssysteme, ein verlockendes Angebot, sodass nun von einem Großteil Familienmitglieder aus der alten Heimat nachzogen.
Als 1973 die erste Ölkrise das Ende des Wirtschaftswunders markierte, sah die Regierung sich gezwungen, einen Anwerbestopp zu verfügen, um den Zustrom von Gastarbeitern aus nicht-EG-Ländern zu unterbinden. Es war nicht mehr möglich für begrenzte Zeit in die Heimatländer zurückzukehren, um dann wieder in Deutschland arbeiten zu können. So blieb der Ausländeranteil bis 1979 weitgehend stabil und bis 1988 erhöhte er sich nur langsam auf ca. 4,8 Mio. Doch zum Trotz der Regierung ließen hauptsächlich der andauernde Familiennachzug und die Geburt von über 1 Mio. ausländischen Kindern bis heute den Ausländeranteil Deutschlands auf etwa 7,3 Mio. ansteigen.
Statistik Ausländerzahlen 1991-2003
Die Ausländerzahlen unterschätzen den tatsächlichen Wert der Personen mit Migrationshintergrung: Weder Spätaussiedler, noch eingebürgerte Personen sind enthalten, da beide als Deutsche in die Statistik eingehen.
Seit Inkrafttretens des neuen Staatsangehörigkeitsgesetzes im Jahr 2000 erhalten Kinder ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit bei Geburt, sofern mindestens ein Elternteil eine Aufenthaltsberechtigung besitzt. Daher spielt die Geburtenrate bei der Ausländerentwicklung eine wichtige Rolle. So war 2003 etwa jeder Fünfte der 7,3 Mio. Ausländer in Deutschland geboren und 140.731 Einbürgerungen wurden verzeichnet, darunter 39% Personen türkischer Herkunft.
Ende 2003 lebten 1,88 Mio. Türken in Deutschland; mit 25,6% aller Ausländer bilden sie damit die größte Gruppe der ausländischen Wohnbevölkerung. Der Anteil muslimischer Migrantengruppen spielt eine wichtige Rolle im deutschen Religionsbild. Verschiedene Religionen, hauptsächlich der Islam, gewinnen zunehmend an Bedeutung. Mit rund 3,4 Millionen Gläubigen ist der Islam nach dem Christentum die zweitgrößte Religion in Deutschland. Zugleich bildet er einen scharfen Kontrast zur deutschen Glaubensmoral und Kultur und viele der traditionellen Glaubensinhalte lassen sich nur schwer vereinigen.
Eines der wichtigsten Beispiele hierfür ist die Rolle der Frau in der Gesellschaft: die deutsche Autonomie und Gleichberechtigung der Frau in Gesellschaft und Politik steht der traditionellen islamischen Niederstellung und Abhängigkeit gegenüber und obwohl die ausländische Rechtspolitik der Republik für Frauen dieselben Rechte vorbehält, finden sich dennoch enorme soziale Konflikte.
Allein der massive Unterschied im Erscheinungsbild bietet einen Grundstein für die Ausgrenzung von Ausländern und viele Deutsche begegnen traditionell verschleierten, manchmal von Kopf bis Fuß umhüllten, Frauen mit Vorurteilen und Ausgliederung. Besonders das Kopftuch gilt oftmals als Symbol der Unterdrückung und mangelnden Integrationswillens, was für viele abschreckend und beängstigend wirkt. Es ist eine schwere Aufgabe für ausländische religiöse Frauen, die sich in der deutschen Berufswelt eingliedern möchten und selbstständig sind, diesen Kontrast zu überwinden. Gerade hier spielt dies eine wichtige Rolle, wie das Beispiel der so genannten „Kopftuchdebatte“ zeigt. Sollen Frauen im öffentlichen Dienst, wie Lehrerinnen oder Politikerinnen, auf das Symbol ihres Glaubens verzichten müssen? Diese Forderung wird von vielen Organisationen und politischen Gruppen gestellt und fast in Furcht versucht man alle religiösen Sinnbilder von öffentlichen Stätten, besonders Schulen, zu entfernen; darunter auch das Kruzifix. Im April 2004 hat Baden-Württemberg als erstes deutsches Bundesland ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen beschlossen.
Insbesondere in Zeiten des Terrorismus werden äußere Zeichen der Religion als offensichtliche Ablehnung westlicher Kultur- und Demokratieverständnisse.
Für einen Großteil der Kopftuchträgerinnen steht das „Hijab“ jedoch für Schutz und Freiheit und sie tragen es als Ausdruck ihrer individuellen Auffassung von Würde und Sittsamkeit. Sie genießen die Unsichtbarkeit und Anonymität, die es verleiht und würden sich ohne die Vermummung bedroht und den Augen Fremder ausgesetzt fühlen. Sie finden die Assoziierungen mit der Unfreiwilligkeit und das Klischee der Rückständigkeit des Tragens verletzend und sehen ihr Persönlichkeitsrecht angegriffen. Viele denken zudem, dass die öffentliche Debatte Probleme de Frauen auf dem Arbeitsmarkt verstärkt, da sie das Symbol mit der stereotypen Wahrnehmung negativer Ansichten verbindet.
Doch die Assoziierungen haben ihren Ursprung in der Realität krimineller Aktionen, die ihre Wurzeln im religiösen Glauben finden. Nahezu ununterbrochen wird man mit der Brutalität religiöser Racheakte und skrupelloser Unterdrückung konfrontiert. Ehrenmorde, Zwangsehen und Suppression sind nur wenige der traurigen Beispiele religiöser Gewalt. Hier zeigt sich eine der massivsten rechtlichen Unvereinbarkeiten mit dem deutschen Gesetzeswesen, denn in vielen islamitischen Staaten gehören diese Taten zum Alltag und werden nicht nur von der Gesellschaft, sondern auch von der Politik akzeptiert; als Gesetz Gottes finden sie Rechtfertigung vor Gericht.
Schicksal betroffener Frauen rückt ihr Rollenbild als Opfer in den Vordergrund der Öffentlichkeit. Häufig werden sie einfach aus dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen und haben keine Möglichkeit, soziale Kontakte zu knüpfen. Dies verstärkt ihren Rückzug in die eigene Kultur umso mehr. Die Regierung setzt sich für die Motivation dieser Frauen, sich zu integrieren, ein. Oftmals leiten jedoch unabhängige, zum Teil berufstätige, Ausländerinnen Programme und Organisationen, wie Sportangebote, Sprachkurse und Frauentreffen. Sie können ihre persönlichen Erfahrungen mit den Teilnehmerinnen teilen und sie ermutigen.
Und trotz all dieser Zeichen sozialer Missverstandenheit und wachsenden Unmuts steigerte sich die Problembildung durch fortwährende Vernachlässigung der Ausländerpolitik durch die Regierung. Von einer Generation werden Einstellungen und Kulturansichten and die nächste weitergeleitet und Kinder ausländischer Eltern finden sich zwischen zwei Gesellschaften gefangen und wissen nicht, wie sie zu vereinen sind; dies gilt auch für diejenigen, die in Deutschland geboren wurden. Das Ergebnis dieser Konflikte spiegeln sich besonders im Bildungswesen wider. Vor allem an deutschen Hauptschulen, die den höchsten Ausländeranteil der Schulen vorweisen, kritisiert man den Mangel an Sprachkenntnissen, Lernbereitschaft und Disziplin und beklagt das Desinteresse der Eltern an Schul- und Bildungsfragen. Von 9.625.000 Schülern an deutschen allgemein bildenden Schulen haben nahezu 10% keine deutsche Staatsbürgerschaft (Schuljahr 1004/05). In der Statistik lässt sich ein großes Ungleichgewicht der Verteilung auf die verschiedenen Zweige erkennen:
Statistik Ausländeranteil an Schulen
Häufig wird dies als Ursache wachsender Gewalt an Schulen genannt. Doch auch deutsche Jugendliche aus sozial benachteiligten Gebieten mit schwachem Familienhalt, fördern diese Entwicklung. Sie bilden eine verlorene Generation, die für eine qualifizierte Berufsausbildung kaum noch befähigt ist. Einige Schulen führten die Regelung ein, dass nicht nur im Unterricht, sondern auch auf dem Pausenhof ausschließlich Deutsch gesprochen wird. Dies soll (laut der „Zeit“) die Gewalttaten um 20% gemindert haben.
Dieses Modell wird jedoch von vielen als Menschenrechtsverletzung kritisiert. Mehrsprachigkeit sollte als Bereicherung angesehen werden. Zudem wird das Erlernen der Zweitsprache erheblich erschwert, wenn die Entwicklung der Muttersprache gestört ist und die Schüler werden in ihrer Identität verunsichert.
Ein überproportionaler Anteil ausländischer Kinder findet sich in den Vorschulen (auch hier sind eingebürgerte Ausländer nicht in der Statistik mit eingebracht). Rund ein Viertel der Kindergartenkinder sind ausländischer Herkunft. Die Ursache hierfür ist das häufige Zurücksetzen bei der Einschulung aufgrund mangelnder Sprachkompetenzen.
FDP-Fraktionschef Gerhard fordert verpflichtende Sprachtest, welche die Einschulung nur mit ausreichenden Deutschkenntnissen ermöglicht. Die Eltern sollen mehr Teilhabe an der Schulentwicklung ihrer Kinder zeigen.
Wachsender Bildungsrückgang führt zusätzlich zu Problemen in der Arbeitswelt. Etwa 19,2% der ausländischen Schüler beenden die Schullaufbahn ohne einen Abschluss und nur 10% (bei Deutschen 26%) absolvieren das Abitur. So sank zwischen 1999 und 2004 die Zahl der nicht-deutschen Lehrlinge um 29,1%.
Viele Deutsche verknüpfen die schlechte Bildungslage der Ausländer mit der Situation der deutschen Wirtschaft. Derzeit gibt es etwa 4,293 Mio. Arbeitslose in der Bundesrepublik, darunter 538.000 Ausländer; die Differenz der Arbeitslosenquote ist enorm (20,1% bei Ausländern, 11,7% der Gesamtbevölkerung). Ebenso verhält es sich mit der Sozialhilfequote: 8,4% aller Ausländer und lediglich 2,9% der Deutschen beziehen Sozialhilfe. Hauptursachen sind die häufig geringere Berufsqualifikation und durchschnittlich größeren Haushalte der Migranten.
Die häufigsten Vorurteile, die Ausländer erfahren, richten sich nach ihren Positionen in diesen Märkten. Viele Deutsche fühlen sich von ihnen um Arbeitsplätze bestohlen und sehen sie als Ursache der wachsenden Kriminalitätsraten, obwohl statistische Fakten oft das Gegenteil beweisen könnten. So zahlen Migranten jährlich 25 Milliarden Euro mehr in die Staatskasse als sie erhalten.
Obwohl die Mehrheit der Bevölkerung fremdenfreundlich eingestellt ist und sich viele sich gegen Rassismus einsetzen, ist das Selbstbild vieler Ausländer durch Fremdenfeindlichkeit und einem Gefühl der Heimatlosigkeit bestimmt. Die von der Regierung gepredigte Toleranz überdeckte bis in dieses Jahrhundert schlicht eine Vernachlässigung der Integrationspolitik. Nun steht man vor dem Problem einer gescheiterten „Multi-Kulti“ Gesellschaft, die sich in den Augen vieler zu einer isolierten Parallelgesellschaft entwickelte und die Munition zu einem „Kampf der Kulturen“ (so Gerhard Schröder) bereithält. Die Union sieht die Lösung in einer Leitkultur der Deutschen. Damit plant man nicht, die Ausländer von ihrer eigenen Kultur und Identität wegzuleiten, sondern äußert schlicht eine Forderung nach Anpassung an die Gesellschaft Deutschlands. Wollte man vor zehn Jahren, aus Angst als Ausländerfeind beschimpft zu werden, keine Anforderungen stellen, so findet diese Bewegung der Regierung rege Zustimmung in der Bevölkerung.
Als erster Versuch zur Koordinierung der Integrationsarbeit wurde 2000 das neue Zuwanderungsgesetz eingeführt, dessen Hauptinstrument verpflichtende Integrationskurse sind. Die Erwartungen sind die Beherrschung der deutschen Sprache und die Akzeptanz des deutschen Kultur- und Rechtssystems.
Die Kurse bestehen aus deutschem Sprachunterricht und Orientierungsstunden, welche Rechtsordnung, Staats- und Verwaltungsaufbau, Geschichte und Kultur Deutschlands vermitteln sollen. Durch Sprachtests kann das „Zertifikat Deutsch“ erhalten werden. Im vergangenen Jahr haben insgesamt 115.158 Teilnehmer die Kurse besucht, mehrheitlich Frauen; auch werden spezielle Jugend- und Alphabetisierungskurse angeboten. Zusätzlich gibt es auf kommunaler Ebene weitere Kurs ergänzende Maßnahmen, wie Konfliktprojekte und Öffentlichkeitsarbeit. Das Bundesamt arbeitet an der Erstellung einer klaren Übersicht der Angebote von Bund, Ländern und Kommunen, um die Teilnahme zu fördern.
Obwohl von einigen Stellen Kritik an der Umsetzung des Projektes geübt wird, ist die Regierung mit den bisherigen Ergebnissen zufrieden und optimistisch für die Zukunft.