Der Vorleser - neue Vergangenheitsbewltigung oder Kultur-Pornographie ?

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Der Vorleser – neue Vergangenheitsbewältigung oder Kultur-Pornographie ?    

Der Vorleser, der Roman von Rechstwissenschaftler und Schriftsteller Bernhard Schlink, hat positive Kritiken sowohl in Deutschland als auch im Ausland erhalten. Die Geschichte einer ehemaligen KZ-Aufseherin, und des Jungen, der sich in sie verliebt, ist laut ZDF auf dem 14. Platz in der Rangliste von Deutschlands Lieblingsbüchern: in 37 Sprachen übersetzt, in einem Oscar-prämierten Film bearbeitet, erfolgreich in Amerika und Großbritannien, der Erfolg dieses Buches scheint unaufhaltsam. Es ist aber nicht überall populär: 2004 kam eine Diskussion auf, ob der Vorleser seinen riesigen Erfolg verdient. Eine Gruppe britischer Kritiker sagen nein: das Buch sei beleidigend und schlicht. Jeremy Adler, britischer Dichter und Literaturprofessor, hat in der Süddeutsche Zeitung eine bissige Kritik vom Buch geschrieben: „Die Kunst, Mitleid mit den Mördern zu erzwingen“. Er hat darin gesagt, dass das Buch „logisch unmöglich, historisch falsch und moralisch pervers“ sei. Ist diese Meinung stichhaltig? Warum hat das Buch eine solche heftige Reaktion erregt?

Als der 15-jährige Michael die viel ältere, rätselhafte Hanna kennenlernt, wird er unmittelbar fasziniert. Das Paar beginnt eine leidenschaftliche Affäre, mit einer seltsamen Angewohnheit: Michael liest klassische Literature vor, und dann schlafen sie miteinander. Der erste Teil des Buches ist eine erotische Liebesgeschichte, die traurig endet: eines Tages flieht Hanna, mit keiner Erklärung. Acht Jahre später studiert Michael Jura: er ist ertstaunt, Hanna bei einem KZ-Prozess zu sehen. Als er sich den Prozess ansieht, entdeckt er Hannas Vergangenheit als KZ-Wärterin, und erratet ihr größtes Geheimnis : sie kann nicht lesen und schreiben. Er stellt sich Fragen um die Schuld und den Holocaust, die er für den Rest seines Lebens nicht antworten kann. Im Gefängnis lernt Hanna lesen und schreiben, aber findet keine Ruhe : die Schuld überwältigt sie, und sie tötet sich.

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Was für Probleme finden denn die negativen Kritiker? Michael bemerkt, dass Hanna zufriedener ist, als Nazi gesehen zu werden, als zuzugeben, dass sie Analaphabetin ist, und dies erklärt seine Entscheidungen. Sagt Schlink dann, dass Hannas  Analphabetismus ihre Verbrechen entschuldigt? „Die Massenmörderin wird als virtuelle Heilige präsentiert,“ sagt Jeremy Adler. Wenn Schlink Hannas Verbrechen entschuldigt, entschuldigt er den Holocaust? Wenn wir mit Hanna identifizieren müssen, müssen wir auch mit den Nazis und ihrer Ideologie identifizieren? Das ist schon eine schwierige Frage: es ist wohl einfacher, es zu vermeiden. Wer will sich  mit einem Nazi identifizieren? Viel einfacher ist es, in ...

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