“Eine Aeusserung ist allerdings immer mehr als nur eine lokutive Handlung. Wenn wir uns aeussern, dann sagen wir nicht nur etwas, sondern wir vollziehen darueber hinaus Sprechhandlungen wie die des Fragens, Behauptens oder Bittens.” (vgl.Bublitz, S 82) Sowohl fuer Austin als auch fuer Searle stellt dies den zentralen Punkt eines jeden Sprechaktes dar und sie nennen es die Illokution oder den illokutionaeren Akt.
- man spricht jemanden an, wendet sich an jemanden
- man spricht jemanden mit einer bestimmten Intention an: man will ihn informieren, gruessen, ihn warnen, ihm drohen, ihm etwas versorechen, ihn von etwas ueberzeugen usw..(vgl. Linke S. 186)
Auch illokutive Handlungen stellen nicht alleine eine Sprechhandlung dar. Fragt man jemanden ob oder bittet jemanden um oder warnt jemanden vor, dann nicht weil man ihn fragen, bitten oder warnen moechte, sondern um mit seiner Handlung eine bestimmte Wirkung auszuloesen.
f) man moechte jemanden z.B. durch eine Drohung einschuechtern,
ihn vielleicht durch ein Lob froh machen, ihn durch einen Ratschlag von
einer geplanten Aktion abhalten, kurz gesagt ihn zu einer gewuenschten
Reaktion brinen. (vgl. Linke, S.186; Bublitz,S. 83)
Die beabsichtigte Reaktion der angesprochenen Person nennen Austin und Searle die Perlokution oder den perlokutionaeren Akt.
Nach Austins Tod hat Searle das Modell von Austin in einigen Punkten weiterentwickelt und modifiziert. Auch er stellt an den Anfang die Frage, was wir tun, wenn wir Saetze aeussern. Der Unterschied der nun zu Austins Model vorliegt ist, dass Searle die lokutive Handlung in zwei voneinander getrennte Teilhandlungen zerlegt:
- das Aussern von Woertern als Vollzug der Aeusserungshandlung
- das Referieren und Praedizieren als Vollzug der Propositionshandlung.
Diese feine Unterscheidung traegt dazu bei, dass sich das Model an sich besser erklaeren laesst. Es lassen sich zum Beispiel Sprechhandlungen besser erfassen, die trotz unterschiedlicher Aeusserungshandlungen die gleiche Praeferenz und Praedikation aufweisen. Praedikation und Referenz sind Bezeichnungen sowohl fuer den jeweiligen Prozess des Praedizierens bzw. Referierens als auch das Ergebnis dieses Prozesses. Sprecher Praezidieren mit Praedikatsausdruecken (Verben, Adverbien, Nomen) und Referieren im Aeusserungsakt auf Personen, Dinge, Sachverhalte mithilfe sprachlicher Ausdruecke, die als Referenzausdruecke bezeichnet werden. (vgl. Bublitz, S. 94)
“Die vier Teilakte des Sprechaktes werden beim Aeussern nicht getrennt und nacheinander vollzogen, sondern stellen alle vier zusammen, gleichzeitig eine Sprechhandlung dar.”( vgl. Bublitz, S.86)
Zurueckzufuehren auf die Theorie der Glueckens-Bedingungen von Austin entwickelte Searle die Idee, dass fuer das Zustandekommen der verschiedenen Illokutionen, sprich von Sprechakten, bestimmte Bedingungen erfuellt sein muessen. Er schuf somit die sogenannten Sprechaktregeln. Man kann diese Bedingungen als Regeln verstehen, an die sich Sprecher halten muessen, wollen sie erfolgreich miteinander kommunizieren, und als Regeln, die es umgekehrt den Hoeren erlauben, den intendierten Sprechakt als solchen zu erkennen. Searle stellte zwei verschiedene Regeltypen auf:
- der regulative Regeltyp, entspricht analytisch wahren Aussagen,wie z.B. der Abseitsregel
- der konstantive Regeltyp, regelt Verhaltensweisen, die logisch unabhaengig von ihnen bereits existieren und durch sie weder definiert noch wesentlich variirt werden.(vgl.Linke, S.189,90)
Sprechhandlungen folgen nach Searle den konstantiven Regeln. Eine Aeusserung, die als Sprechhandlung gelten will, muss vier Arten von Regeln genuegen:
-der Inhaltsregel
-der Einleitungsregel
-der Aufrichtigkeitsregel
-der Wesentlichkeitsregel.
Diese Regeln sind natuerlich nur eingeschraenkt zu gebrauchen, da sie auf der einen Seite nicht allgemein genug sind, um als Haupt/Kernregeln alle illokutiven Sprechakte konstituieren zu koennen und auf der anderen Seite sind sie nicht speziell genug, um die Unterschiede zwischen verwandten Sprechhandlungen zu erfassen.( vgl. Bublitz, S.95-102)
Zusammenfassend kann man nun sagen, dass der Sprechakt im Normalfall eine “Gleichzeitigkeit von vier Akten ist: einem Aeusserungsakt, einem propositionalen Akt, einer Illokution und einer Perlokution. Das was Austin anfangs als performative Saetze bezeichnet hat, waren eigentlich Sprechakte, und das Unterscheidende, was er daran entdeckt hatte, waren vorab die verschiedenen Typen von Illokutionen. Illokutionen sind es denn auch, welche durch die performativen Verben bezeichnet werden und welche in explizit performativen Aeusserungen die Illokution sprachlich signalisiert.” (vgl. Linke, S.187)
Indirekte Sprechakte:
Aeusserungen sind nicht immer woertlich so gemeint wie sie gesagt werden. Dies ist zum Beispiel der Fall bei Ironie oder Metaphern, bei denen meist genau das Gegenteil geimeint ist. Dann gibt es Saetze, die ueber ihre eigentliche Bedeutung hinaus mehr sagen wollen: die indirekten Sprechakte.
Searle stellt in “ Ausdruck und Bedeutung”( Searle,1982,v.a. S.53-63) die Merkmale der indirekten Sprechakte dar. Weitergefuehrt, bzw. Systematisiert und ergaenzt wird sie durch Grices “Theorie der Implikaturen”, die sich mit dem Verstaendnis zwischen Sprecher und Hoerer beschaeftigt: Wie wird eine indirekte Aeusserung so verstanden wie sie gemeint ist?
Bei der These der indirekten Sprechakte geht es in erster Linie darum, zu erklaeren wie der Hoerer die Intention des Sprechers durchschaut, wenn er nicht woertlich das sagt, was er meint. “Mit indirekten Sprechakten teilt der Sprecher dem Hoerer dadurch mehr mit als er eigentlich sagt, dass er sich darauf verlaesst, dass der Hoerer rational ist und korrekt schliessen kann, und dass er mit ihm gewisse Hintergrundinformationen teilt.”(vgl. Searle, S.53)
Zur Erklaerung indirekter illokutionaerer Akte benoetigt man lediglich “eine Sprechakttheorie, Prinzipien kooperativer Konversation, aussersprachliche Hintergrundinformationen und die Faehigkeit des Hoerers Schluesse zu ziehen.”(vgl. Searle 1982, S.53)
Dass diese Punkte ausreichen, macht Searle in einem einfachen Beispiel klar: (vgl. Searle 1982, S.53-56)
A. stellt B. die Frage: “Gehst du morgen ins Kino?” – A. darauf: “ Die Handwerker kommen” Wie kommt es nun, dass As Antwort von B als Ablehnung verstanden wird? Der Satz fuer sich gesehen ist noch keine Ablehnung, sondern lediglich eine Festestellung. Erst im Kontext mit As Frage , bzw. auf die Situation bezogen wird er zur Verneinung der Frage. Der primaere illokutionaere Akt ist die Verneinung von As Frage. Er wird durch den sekundaeren illokutionaeren Akt vollzogen: er stellt fest, dass die Handwerker kommen. Der sekundaere Akt ist somit woertlich, der primaere nicht. A versteht den sekundaeren illokutionaeren Akt, aber wie versteht er den primaeren illuktionaeren Akt?
Searle legt diesen Prozess in einer genauen Rekonstruktion dessen dar, was waehrend des Sprechaktes passiert. In zehn Schritten macht sich A klar, dass Bs Aeusserung nur eine Verneinung seiner Frage sein kann.
- A hat B gefragt, worauf er die Feststellung gemacht hat, dass die Handwerker kommen. B reflektiert also das Gespraech.
- Zunaechst geht er davon aus, dass B ihm gegenueber kooperativ ist und seine Bemerkung relevant ist-also auf seine Frage bezogen.
- Unter Beruecksichtigung der Sprechakttheorie kommen fuer eine angemessene Reaktion Annahme, Ablehnung, Gegenvorschlag oder weitere Diskusionen in Frage.
- Da seine Aussage nichts davon war folgert A, dass Bs Aussage woertlich verstanden keine relevante Reaktion ist.
- Weiter folgert er, dass B wahrscheinlich mehr meint, als er sagt. Die primaere illokutionaere Bedeutung muss eine andere sein, als die primaere illokutionaere Aussage.
- A vergegenwaertigt sich nun, dass beide Taetigkeiten, ins Kino gehen und die Handwerker im Hause haben, ziemlich viel Zeit in Anspruch nehmen- er bedient sich damit seines inhaltlichen Hintergrundwissens.
- Eine weitere Folgerung ist nun, dass man an einem Tag normalerweise nicht beides tun kann.
- Wenn angenommen wird, dass der Sprecher die in der Bedingung des propositionalen Gehalts ausgesagte Handlung vollziehen kann, wird A 9. daraus schliessen, dass B die Frage nicht bejahen kann, ohne sich selbst zu wiedersprechen.
10. Weiter folgert A, dass “ der primaere ilokutionaere Witz seiner Aeusserung
die Ablehnung des Vorschlages ist.”
Das entscheidende Element in dieser Reaktion ist die Folgerungsstrategie. Ohne dass der Hoerer aus dem Gesagten oder seinem eigenem Hintergrundwissen Schluesse ziehen kann, ist kein Verstaendnis des indirekten illokutionaeren Aktes moeglich.
Im naechsten Teil meiner Arbeit behandle ich die Direktive, die bei den indirekten Sprechakten ebenfalls eine wichtige Rolle spielen:
Aufgrund von Hoeflichkeitsformen werden viele Aussagen indirekt ausgedrueckt. Es macht einen nicht sehr hoeflichen Eindruck, jemanden im Imperativ um etwas zu “bitten”: “ Gib mir Salz!” hat wohl einen etwas ruppigeren Effekt als die indirekte Bitte “ kannst du mir das Salz reichen?”.
Bei Direktiven, also einer Aufforderung, Bitte oder auch einem Befehl oder Verbot, ist indirekter Ausdruck somit eine Form der Hoeflichkeit.
Searle stellt eine Reihe von Saetzen vor, die er zum Zweck des Vollzuges indirekter Direktiver zaehlt. Searle gliedert sie in sechs Gruppen auf.( vgl. Searle, S.57ff )
Gruppe 1: Saetze, in denen es um die Faehigkeit des Hoerers geht, eine Handlung
zu vollziehen:
Kannst du…
Koenntest du…
Bist du in der Lage…
Gruppe 2: Saetze, in denen es um den Wunsch des Sprechers geht, dass der Hoerer
eine Handlung vollzieht:
Ich haette gerne, dass…
Ich waere dankbar, wenn…
Ich hoffe, dass du…
Gruppe 3: Saetze, in denen es darum geht, dass der Hoerer eine Handlung vollzieht:
Wirst du wohl…
Machst du wohl…
Gruppe 4: Saetze in denen es um den Wunsch bzw. Bereitschaft des Hoerers geht,
Eine Handlung zu vollziehen:
Waerst du bereit…
Willst du…
Wuerde es dir passen…
Gruppe 5: Saetze, in denen es um Gruende geht, eine Handlung zu vollziehen:
Du solltest…
Musst du denn…
Du wuerdest jetzt besser…
Es waere besser, wenn…
Gruppe 6: Saetze, in denen eines dieser Elemente in ein anderes eingebettet ist:
Wuerde es dir vielleicht etwas ausmachen, wenn ich dich fragen wuerde,
ob du vielleicht…
Duerfte ich sie vielleicht bitten…
In der letzen Klasse werden Elemente der vorhergehenden umgestellt und neu gebildet.
Searle stellt fest, dass Saetze conventional als Direktive Illokutionen verwendet werden. Es bestehe eine systematische Beziehung, die sich beispielsweise in dem Satz “ Ich muss fuer die Pruefung lernen” und der Ablehnung des Vorschlages nicht findet. Searle betont ihre “imperativische Standart-Verwendung”, was er dadurch unterstreicht, dass das Wort “Bitte” in alle Saetze passt.( ebd. S. 61)
Weiter stellt Searle fest, dass die Saetze immer Ausdruck einer indirekten Bitte sind. So kann der Satz: “Kommst du an das Salz ran?” auch als Frage ueber die Faehigkeit des Gegenueber gestellt werden, wie Searle als Beispiel anfuehrt, von einem Orthopaeden, der wissen moechte welche Fortschritte die Heilung des Armes macht.( ebd. S.62)
Die fraglichen Saetze sind immer nur kontextbezogen als indirekte Direktiva aufzufassen. Als Beispiel fuehrt Searle an: “ Haette jemand vorher gesagt:” Wir sollen hier nicht aufhoeren.”, dann waere “warum nicht hier aufhoeren ?” eine passende Frage, ohne unbedingt auch ein Vorschlag zu sein.”(ebd. S.62)
Dass Saetze trotz ihrer Verwendung als Direktiva ihre woertliche Bedeutung behalten stellt Searle als weiteren Fakt hin. Der Sprecher meine ja schon woertlich das, was er sagt, aber es komme bei indirekten Sprechakten noch eine weitere Bedeutung hinzu.( ebd. S.62)
Hier kann man kurz zusammenfassen, dass indirekte Direktiva aus Hoeflichkeit benutzt werden, dass sie zumeist conventional verwendet werden, nur kontextbezogen als indirekte Direktiva zu verstehen sind und neben ihrer woertlichen Bedeutung noch eine weitgehende Intention ausdruecken.
Wie wird nun ein indirekter direktiver Satz interpretiert?
Die Frage “kannst du mir das Salz reichen? (Gruppe1) wird von Searle wiederum als Beispiel fuer eine Rekonstruktion der Schlussfolgerung, warum diese Frage eine Bitte,-ein Direktiva-keine blosse Frage nach der Faehigkeit des Hoerers ist, verwendet. Unter Beruecksichtigung derselben Schritte, die schon bei der Frage “gehst du morgen ins Kino?” angewandt wurden, wird der Hoerer darauf komen, dass diese Frage keine blosse Frage, sondern eine Bitte oder Aufforderung, das Salz herrueberzureichen ist.
Wie ist das also moeglich? Wie kommt der Hoerer darauf, dass mit dem Satz “kannst du mir das salz reichen?” eine Aufforderung gemaint ist? Searle betont, dass nict jede Frage nach den Faehigkeiten eines Gespraechspartners eine Bitte ist.
Hier kommen nun die allgemeinen Konversatins-Prinzipien ins Spiel:
Wie Illokution und Perlokution einer Aeusserung zu erkennen sind, geht aus der Sprechakttheorie allein nicht eindeutig hervor. Hier setzt Grice an, der 1967 seine Theorie der konversationellen Implikaturen formulierte.
Die Grundidee der Implikaturtheorie basiert auf dem Erkennen der kommunikativen Funktion einer Aeusserung: Wie wird sie in einer bestimmten Situation richtig erkannt? Wie erkennt man, dass ein Satz ironisch gemeint ist?
Kommunikation besteht im Normalfall aus aufeinander eingehenden Beitraegen, wobei der Gespraechspartner eine gewisse Richtung innerhalb der Kommunikation erkennen muss. Auf dieser Grundlage baute Paul Grice seine Konversationsmaximen auf. Gespraeche bestehen demnach nicht aus “einer Abfolge unzusammenhaengenedr Bemerkungen […]Sie sind kennzeichnenderweise wenigstens bis zu einem gewissen Mass kooperativer Bemuehungen und jeder Teilnehmer erkennt bis zu einem gewissen Grad in ihnen einen gemeinsamen Zweck […] oder zumindest eine wechselseitig akzeptierte Richtung an.”( vgl. Grice, S.248)
Grice hat die Sprachphilosophie in grossem Masse durch seine Untersuchungen konversationaler Implikaturen beeinflusst. In diesem Konzept wird unterschieden zwischen dem, was eine Person mit ihren Worten sagt, und dem, was eine Person mit seinen Worten ausser dem, was die Worte oberflaechlich betrachtet sagen, noch meint.
Grice Untersuchung der konversationalen Implikaturen beginnt mit der Formulierung eines allgemeinen Kooperationsprinzipes “dessen Beachtung von allen Teilnehmern erwartet wird […]”(vgl. Grice, S.248) aus dem einige weitere Maximen abgeleitet werden. Eine Aeusserung wird unter den Bedingungen gemacht, dass sie vom anderen –richtig- verstanden wird –davon gehen sowohl Sprecher und Hoerer aus. Grice entwickelte eine Theorie, welche Prinzipien diesem Verstaendnis unterlegen, d.h. wie eine Aeusserung in einer Situation verstanden wird, auch –gerade dann- wenn nicht das gesagtr wird, was gemeint ist. Als Richtlinie formulierte er die Konversationsmaximen( vgl. Grice, S.249ff)
In Anlehnung an Kant nennt Grice diese Kategorien Quantitaet, Qualitaet, Relation und Modalitaet.
-
Die Maxime der Quantitaet:
- Gestalte deinen Beitrag so informative wie noetig.
- Gestalte deinen Beitrag nicht informativer als noetig.
-
Die Maxime der Qualitaet: Unter die Kategorie Qualitaet faellt eine Obermaxime “Versuche, deinen Beitrag so zu machen, dass er wahr ist “ und zwei spezielleren Maximen:
- Sage nichts, was du fuer falsch haelst.
- Sage nichts, wofuer dir die angemessenen Gruende fehlen
Unter die Kategorie der Relationen setzt Grice lediglich eine Maxime und zwar:”Sei relavant”. Trotz der kurzen Formulierung verdeckte “ diese Formulierung eine Menge von Problemen: […] was fuer verschiedene Arten und Brennpunkte der Relevanz es geben kann, wie sie sich im Verlauf eines Gespraeches verschieben, wie dem Umstand Rechnung zu tragen ist, dass der Gespraechsgegenstand zu Recht geaeussert wird usw.”
Die Kategorie der Modalitaet schliesslich beinhaltet die bermaxime: “Sei klar” und verschiedene Maximen wie:
- Vermeide Dunkelheit des Ausdruckes
- Vermeide Mehrdeutigkeit
- Sei kurz
- Der Reihe nach
Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht, dass der Beitrag relevant ist, wird der Gespraechspartner versuchen, ihn sinngemaess zu interpretieren. Interessant wird es nun, wenn gegen die Konversationsmaximen augenscheinlich verstossen wird, das Kooperationsprinzip jedoch eingehalten wird –es wird dadurch eine Implikatur entstehen.
Implikaturen:
Am Beispiel vom anfangs skizzierten Dialog laesst sich auch Grices Theorie erklaeren:
Sprecher A: “Gehst du morgen ins Kino?”
Sprecher B: “Die Handwerker kommen.”
Auf den ersten Blick hat nun Bs Antwort mit As Frage nichts zu tun. Wie es kommt, dass A Bs Intention trotzdem durchschaut, laesst sich mit den Konversationsmaximen erklaeren:
Zunaechts einmal geht A ja davon aus, dass ein gemeinsames Interesse besteht, die Kommunikation aufrecht zu erhalten. Er geht also vom Kooperationsprinzip aus – nach Grice das wesentliche in jeder Kommunikation. Wird gegen dieses Prinzip verstossen, bedeutet dies das Ende der Kommunikation- man sagt dem Gegenueber, dass man an einem weiteren Gespraech nicht interessiert ist.
Dies ist in dem obigen Beispiel aber nicht der Fall, denn A geht weiter davon aus, dass Bs Beitrag relavant ist, also mit seiner Frage im weitesten Sinne etwas zu tun hat und nicht vom Thema ablenkt. Er wird nun durch einen Schlussfolgerungsprozess –aehnlich dem der obengenannten indirekten Sprechakte –darauf kommen, dass B offenbar vor hat, in seiner Wohnung etwas reparieren zu lassen und somit keine Zeit hat um ins Kino zu gehen.
Eine Implikatur kann erklaeren, wie es moeglich ist, dass der Hoerer in einer Kommunikation versteht, dass mehr gemeint ist, als gesagt wurde, und was gemeint ist. Ein Sprecher impliziert, dass etwas der Fall ist, wenn seine Aeusserung den Schluss darauf erlaubt, ohne dass er es woertlich ausgedrueckt haette. Damit dem Hoerer dies moeglich ist, muss er ueber den konventionellen Inhalt der Aussage und ueber die Konversationsprinzipien Bescheid wissen, sowie ueber ein gewisses Sachwissen, ein Hintergrundwissen verfuegen.
Grice unterscheidet nun noch zwischen konventionellen und konversationalen Implikaturen: ( vgl. Bussmann, S.326f; Levinson, S.129ff)
Beruht der Schluss einer Aussage allein auf der konventionellen Bedeutung der Woerter, kann sie aus dem gesagten weitgehend sicher erschlossen werden, so spricht man von einer konventionellen Implikatur.
Konventionelle Implikaturen koennen meist nur dadurch zurueckgenommen werden, indem man sich wiederspricht –die Aussage ist somit klar und deutlich.
Ein Beispiel:
“ B hat nicht vergessen, dass C Geburtstag hat.”
Daraus kann man relativ leicht den Schluss ziehen, dass C heute Geburtstag hat. Konventionelle Implikaturen beruhen auf Praesuppositionen – stillschweigende Voraussetzungen ueber einen Sachverhalt oder eine Tatsache. Konventionelle Implikaturen sind nicht “loeschbar”, aber “abloesbar”( vgl. Bussmann, S. 328),d.h., dass man einen Satz wie: “Sie sind mein Chef” durch den Wiederspruch “du bist mein Chef” ersetzen kann, ohne dass sich an der Tatsache ( diese person ist mein Chef) etwas aendert. Dagegen kann man die Aussage “Sie sind mein Chef” nur durch den Wiederspruch “Sie sind nicht mein Chef” zuruecknehmen; die Aussage “Sie sind mein Chef oder auch nicht” wuerde seltsam klingen.
Beruht eine Implikatur neben der konventionellen Bedeutung der Aussage auch auf der Annahme, dass der Sprecher die Konversationsmaximen befolgt oder –absichtlich- verletzt, spricht man von Konversationellen Implikaturen.
Merkmal der der konversationellen Imlpkaturen ist zunaechst, dass sie immer hypotetisch bleiben und somit vom Sprechre wieder zurueckgenommen werden koennen. Konversationelle Implikaturen sind immer an eine der Konversationsmaximen gebunden. Nach dem Verletzen einer solchen Maxime, wird der Hoerer die Aeusserung des Sprechers, solange umdeuten, bis sie einen Sinn ergibt, der dem Kooperationsprinzip entspricht. Der Sprecher kann dieser Interpretation seiner Aussage jedoch immer wiedersprechen, er hat sie ja nicht woertlich gesagt
Ein Beispiel:
A will B dazu bringen , dass er ihn nach Hause faehrt. B weiss, wo A wohnt, naemlich in X. A sagt nun zu B: “Du faehrst doch sicher an X vorbei?” B impliziert daraus, dass A moechte, dass er ihn mitnimmt. A kann nun aber diese deutung negieren, indem er sagt: “ Das habe ich gar nicht gesagt, ich wollte es nur wissen.” Fuer B bleibt die Annahme “A will, dass ich ihn mitnehme”, solange hypothetisch, bis A es entweder bestaetigt oder verneint.
Unterschieden wird weiter zwischen spezialisierten und generalisierten konversationellen Implikaturen.( vgl. Levinson, S. 128; Bussmann, S.326f) Erstere ist eine Aussage, die nicht durch die Verwendung sprachlicher Mittel, sondern nur in einem bestimmten Kontext zu einer Implikatur wird.
Ein Beispiel:
In einem Arbeitszeugnis wird Herr A bescheinigt: “Erbemuehe sich um gute Mitarbeit.” Ein Personalchef, bei dem Herr A sich bewirbt, wird daraus erkennen koennen, dass Herr A sich zwar um gute Mitarbeit bemueht hat, ihm diese aber nicht gelungen ist. Verwendet in anderer Situation kann diese Aussage durchaus ein Lob bedeuten. Zur negativen Bemerkung wird sie lediglich durch den Kontext. Generalisierte konversationelle Implikaturen sind dagegen nicht an eine bestimmte Situation gebunden, sondern werden durch sprachliche Mittel zu einer Implikatur. Die Aussage “A geht in ein Haus” impliziert, hier durch die Verwendung des unbestimmten Artikels, dass es nicht As Haus ist, dass er betritt. In welchem Kontext der Satz geaeussert wird, ist fuer seine Bedeutung nicht relevant.
4. Fazit:
Wie passen nun Austins und Searles Sprechakttheorie mit Grices Implikaturtheorie zusammen? Wie lassen sich dei bei Searle offen gebliebenen Fragen, wie Illokution und Perlokution einer Aeusserung zu erkennen sind, beantworten?
Zur Erlaeterung noch einmal knapp zusammenfassend die Theorie der Sprechakte:
Zunaechst ging Austin davon aus, dass mit der Verwendung bestimmter Verben, sogenannter performativer Verben, Hnadlungen vollzogen werden: Dazu gehoeren beispielsweise: danken, einladen, taufen,…Handlungen und Aussagen ergaenzen sich in sofern,dass ohne die Aussage die jeweiligen Handlung nicht ausgefuehrt ist und die Aussage ohne die Handlung keinen Sinn ergaebe. Beispielsweise wird der Satz:
” Hiermit kuendige ich meinen Mietvertrag” waehrend eines Zusammenseins mit Freunden keinen Sinn ergeben. Eine muendlich oder schriftlich ausgesprochene Kuendigung kann aber ohne die ausdrueckliche Aussage derselben nicht vollzogen werden.
Neben den performativen Saetzen gibt es die konstantiven, die eine Aeusserung ueber Sachverhalte ausdruecken , die wahr oder falsch sein kann. Austin geht weiter davon aus, dass jede natuerliche Aeusserung eine Handlung ist, denn diese stehe nicht im Gegensatz zu der Tatsache, dass eine Aussage ueber einen Sachverhalt gemacht wird.
Ausgehend von Austins Thesen, die hier natuerlich nur knapp zusammengefasst sind, formulierte Searle eine Sprechakttheorie, welche die Frage beantworten sollte, was man denn tut, wenn man eine Aeusserung macht. Searle stellte fest, dass eine Sprechhandlung aus folgenden Akten besteht:
Lokutionaerer Akt: Das reine Aeussern von Saetzen (Bewegen der Sprechwerkzeuge)
Propositionaler Akt: Bezug auf Objekte und Sachverhalte
Der Zentrale Akt ist der illokutionaere Akt: Jemanden mit einer bestimmten Intention ansprechen, in dem man ihn gruesst, um etwas bittet, etwas fragt,…
Noch weiter geht der perlokutionaere Akt: Jemanden mit einer Aeusserung zu etwas bringen –um so einen perlokutionaeren Effekt auszuloesen.(vgl.Searle 1971, S.40f)
Von dem illokutionaeren Akt geht der Hoerer in der Regel aus –naemlich dass eine Aussage mit einer bestimmten Intention gemacht wird, es also nicht beim reinen lokutionaeren Akt bleibt. Weiter geht der Hoerer davon aus, dass der Sprecher das Prinzip der Kooperation und die Konversationsmaximen einhaelt –wie von Grice formuliert.
Detailliert sieht das so aus:
Nehmen wir die Eingangs erwaehnten Beispiele (1) “Gehst du morgen ins Kino?”- “Die Handwerker kommen” und (2) :” Wie fandest du das Buch?”- “Der Autor hat bisher nur schlechte Buecher geschrieben”, so kann man abschliessend sagen, dass der indirekte Sprechakt darauf abzielt, den Hoerer zu etwas zu bringen, oder auch nur etwas mitzuteilen, ohne es ihm direct zu sagen, beispielsweise aus Hoeflichkeitsgruenden oder Ruecksichtsnahme.
Bezogen auf Beispiel (2) kann man sagen , dass der Hoerer -wie oben erwaehnt davon ausgeht, dass der Sprecher seine Aussage mit einer bestimmten Intention macht (vgl. auch Grices Kooperationsprinzip; Grice, S.248) -in diesem Falle will er mitteilen, dass ihm das Buch nicht gefallen hat. Der Hoerer –Person A- geht weiter davon aus, dass der Satz einen illokutionaeren Akt enthaelt und der Sprecher –B- damit einen perlokutionaeren Effekt ausloesen will. Hier kommt also Searles Sprechakttheorie zum Tragen. Der Hoerer fragt sich nun, welcher Effekt ausgeloest werden soll. Er haelt sich die Konversationsmaximen vor Augen und geht erstens davon aus, dass der Sprecher kooperativ ist und ein Interesse daran hat, die Kommunikation aufrechtzuerhalten. Somit kommt er darauf, dass augenscheinlich die Maxime der Qualitaet verletzt wurde: “Sage nichts, wozu dir die Gruende fehlen.” Der Hoerer versucht nun, diese Antwort umzudeuten, bis sie wieder in das Schema der Konversationsmaximen passen. Offenbar hat der Sprecher einen Grund diese Aussage in diesem Kontext zu machen, so dass die Maxime der Qualitaet doch eingehalten wird. Welchen Grund hat er wohl? Hier kommt die Maxime der Relation ins Spiel: “Sei relevant!” und damit situationsbezogen. Der Hoerer wird davon ausgehen, dass die Frage in der jeweiligen Situation relevant ist. Kommen all diese Teilaspekte zusammen, wird der Hoerer weiter durch Schlussfolgerung darauf kommen, dass die Antwort als Meinungsaeusserung umzudeuten ist, und der Sprecher mit der Frage impliziert hat: “Mir hat das Buch nicht gefallen!”
Dieser hier so detailliert dargestellte Prozess wird natuerlich im taeglichen Leben nie derart ausfuehrlich dargestellt. Weder Sprecher noch Hoerer werden in einem Gespraech, das einen indirekten Sprechakt enthaelt, bewusst einen wie oben dargestellten Schlussfolgerungsakt vollziehen.
Wie Searle es bei der Erklaerung der indirekten Direktiva schon sagte, werden die meisten indirekten Aussagen conventional verwendet. Ueber ihren Gebrauch wird oft nicht mehr reflektiert.
5.Schlusswort:
Bei naeherer Betrachtung fast jeder Kommunikation wird sich herausstellen, dass sowohl Austin und Searles Sprechakttheorie, als auch Grice Implikaturtheorie durchaus die taegliche Kommunikation skizzieren.
Trotzdem in dieser Arbeit beide Theorien bei weitem nicht vollstaendig betrachtet wurden- vor allem auf die philosophischen Hintergruende, auf die sich Austin bezieht konnte nicht eingegangen werden- werden die Hauptaspekte des Sprechaktes hoffentlich herrausgestellt.
Der Zusammenhang zwischen Austins und Searles Sprechrechakttheorie und Grice Implikaturen- naemlich das ganzheitliche Verstaendnis ueber Wirkung und Deutung einer Kommunikation- ist wichtiger Bestandteil des taeglichen Umgangs miteinander und damit nicht nur wissenschaftlich relevant.
- Bibliographie:
Kortmann, Bernd: Linguistik:Essentials: Anglistik, Amerikanistik. Berlin, 1999
Linke,Angelika; Markus Nussbaumer; Paul R. Portmann: Studienbuch Linguistik.Tuebingen, 1994
Brinker, Klaus: Linguistische Textanalyse: eine Einfuehrung in Grunbegriffe und Methoden. Berlin,2001
Bublitz, Wolfram: Englische Pragmatik. Eine Einfuehrung. Berlin, 2001
Grewendorf, Guenther; Fritz Hamm; Wolfgang Sternefeld: Sprachliches Wissen: eine Einfuehrung in moderner Theorie der grammatischen Beschreibung. Frankfurt am Main, 1991
Stolze, Radegundis: Uebersetzungstheorien: eine Einfuehrung. Tuebingen, 2001
Austin, John: How to do Things with words (“ Zur Theorie der Sprechakte”). Stuttgart 1962, 1975
Bussmann, Hadumond: Lexikon der Sprachwissenschaft. Stuttgard, 1990
Grice, Paul H.: Logik und Konversation in Meggle, Georg (Hrsg): Handlung, Kommunikation, Bedeutung. Frankfurt am Main, 1993
Levinson, Stephen C.: Pragmatik. Tuebingen, 1996
Searle, John: Sprechakte. Frankfurt am Main, 1971
Searle, John: Ausdruck und Bedeutung. Frankfurt am Main, 1982