Der BFH gelangte zu dem Schluss, dass die Verweigerung des Sonderausgabenabzugs in der Rs Persche zwar dem innerstaatlichen Recht entspricht, warf aber die Frage auf, ob die Regelung gemeinschaftsrechtskonform sei. Laut BFH war die Frage im Urteil zur Rs Stauffer[5], in der zum ersten Mal das Thema der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit, wobei nur auf NPO Ebene angesprochen war, nicht entsprechend geklärt. Damals in Deutschland gültige Regelungen wurden aber als gemeinschaftsrechtwidrig erkannt.[6]
2. Die dem Urteil zugrunde liegenden Fragestellungen
In dem am 11.7.2007 eingereichten Vorabentscheidungsersuchen stellte der BFH dem EuGH drei Fragen.5) Einerseits wollte der BFH wissen, ob Sachspenden vom Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit erfasst werden und ob Spenden aus einem Mitgliedstaat an Organisationen in einem anderen Mitgliedstaat gleich behandelt werden müssen wie Spenden innerhalb eines Mitgliedstaats. Andererseits ging es um die Frage, inwieweit die Behörden zur Heranziehung der Amtshilfe-RL[7]verpflichtet sind oder inwieweit der Steuerpflichtige bei Auslandssachverhalten selbst die objektive Beweislast zu tragen hat.
3. Aus den Entscheidungsgründen
- Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit
Der EuGH determiniert bei der Überprüfung einer nationalen Regelung auf Gemeinschaftsrechtskonformität, welche der Grundfreiheiten anwendbar ist. Im Fall Persche kommen zwei Grundfreiheiten in Frage, die verletzt sein könnten: die Freiheit des Warenverkehrs und der Kapitalverkehrsfreiheit. Erste wird vom EuGH als nicht anwendbar angesehen[8], für die zweite hingegen stellte aber der EuGH fest, dass nicht nur Geldspenden, sondern auch Sachspenden in den Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art 56 EG-Vertrag fallen.[9] Der EuGH beruft sich dabei auf seine Rechtsprechung über Erbschaften, wo auch nicht zwischen Sach- und Geldwerten unterschieden wird.[10]
- Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit
Herrn Persche ist aufgrund der vorangehenden Ausführungen der Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit eröffnet. Es ist im nächsten Schritt zu prüfen, ob eine Diskriminierung vorliegt. Die darf nämlich nur vorliegen, wenn sich beide (ausländische und inländische Steuerpflichtige) in einer vergleichbaren Situation befinden. Der EuGH stellte fest, dass sich das Centro Popular in einer vergleichbaren Situation wie eine deutsche gemeinnützige Einrichtung befindet.[11]
Die deutsche Regelung über Abzug von Spenden, welche an in Deutschland ansässige gemeinnützige Personen gespendet sind, was laut EuGH jedenfalls geeignet ist, die Kapitalverkehrsfreiheit zu beschränken. Ein weiteres Argument hier wäre, dass die Möglichkeit Spenden als Sonderausgaben geltend zu machen, erheblich das Verhalten des Spenders beeinflussen kann und hierbei Zuwendungen an ausländische Organisationen unattraktiv erscheinen lässt.[12]
4. Vergleichbarkeit und Diskriminierung
Der EuGH hält fest, dass jeder EU-Staat eigenständig definieren kann, für welche gemeinnützigen Tätigkeiten er einen Steuerabzug gewähren will.
Das EU-Recht schreibt einem EU-Staat somit nicht vor, eine in einem anderen EU-Staat als gemeinnützig anerkannte Organisation ebenfalls als gemeinnützig anzuerkennen.
Erfüllt aber die ausländische Organisation jedoch die Voraussetzungen, welche ein EU-Staat an eigene gemeinnützige Organisationen stellt, so muss diese anerkannt werden. Eine Unterscheidung nach dem Sitz der gemeinnützigen Organisation ist mit der Kapitalverkehrsfreiheit nicht vereinbar.
5. Rechtfertigung
Der Rechtfertigungsgrund der Wirksamkeit der Steueraufsicht vermag die festgestellte Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit nicht zu rechtfertigen und wird vom EuGH als unzulässig erklärt.[13] Die Gewährleistung einer wirksamem Steueraufsicht muss den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren, auch wenn es einen zwingenden Grund des Allgemeininteresse darstellt.[14]
Weiters meinte der EuGH, dass es Aufgabe der Mitgliedstaaten ist, im Einzelfall zu beurteilen, wie die Beweislast zwischen den Steuerpflichtigen und den Finanzbehörden aufgeteilt werden soll.
Die Steuerbehörden können vom Steuerpflichtigen die Beibringung verlangen, durch die der Gemeinnützigkeit der ausländischen Organisation sowie seiner Spende belegt wird. Zudem können relevante Informationen gestützt auf die Amtshilferichtlinie verlangt werden.[15] Dabei beruft sich EuGH auf seine Entscheidung in der Rs Twoh International.[16]
III. ANMERKUNGEN
Bereits zum zweiten Mal muss sich der EuGH mit der steuerlichen Behandlung einer gemeinnützigen Stiftung auseinandersetzen. In der Rechtssache Centro di Musicologia Walter Stauffer[17] hat sich der EuGH damals entschieden, dass die Besteuerung in Deutschland gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt, wenn die ausländische Stiftung nach deutschem Recht als «gemeinnützig» zu qualifizieren sei. Im vorliegend besprochenen Urteil dehnt der EuGH diese Rechtsprechung auch auf die praktisch ungleich bedeutsamere Frage der Abzugsfähigkeit grenzüberschreitender Spenden aus.
In beiden Urteilen hält der EuGH aber klar fest, dass jeder EU-Staat den Begriff der Gemeinnützigkeit frei festlegen kann, sofern er inländische Stiftungen diesbezüglich nicht privilegiert.
Zusammengefasst gibt der EuGH weiterhin nicht vor, wie die Mitgliedstaaten den Begriff der Gemeinnützigkeit zu definieren haben.
Fest steht nur, dass Diskriminierungen aufgrund der Ansässigkeit verboten sind. Es bleibt abzuwarten, ob der EuGH in Zukunft auch den Bereich der Kriterien für Gemeinnützigkeit mit seiner Rechtsprechung durchdringen will.
Bemerkenswert an der Rs Persche sind die Äußerungen des EuGH zum Thema Amtshilfe. In den Urteilen vor Rs Persche verwies der EuGH immer auf die Amtshilfe-RL zurück. Der EuGH hat seine in der Rs Stauffer vertretene Meinung noch einmal bestätigt und stellte explizit die Pflicht des Steuerpflichtigen, alle benötigen Beweise zur richtigen Darstellung des Sachverhalts selbst zu erbringen, in den Vordergrund und interpretiert die Amtshilfe-RL so, dass es im Ermessen der Mitgliedstaaten liegt, ob sie diese zur Informationsbeschaffung nutzen oder nicht.
Für Österreich ist das Persche-Urteil im Hinblick auf § 4a EStG von besonderer Bedeutung.[18] Der neu eingeführte Spendenabzug schien schon bei Einführung gemeinschaftsrechtskonform was Spenden gemäß §4a Z 1 EStG betrifft also Zuwendungen zum Zweck der Forschung oder Erwachsenbildung.[19] In der Rs Europäische Kommission gegen Republik Österreich[20] wurde dann später festgestellt, dass die Republik Österreich gegen ihre Verpflichtungen aus Art 56 EG und Art 40 EWR- Abkommen verstoßen hat, weil sie nur die steuerrechtliche Abzugsfähigkeit von Zuwendungen an Einrichtungen mit Forschungs- und Lehraufgaben im Fall von in Österreich ansässigen Einrichtungen zugelassen hat.
Die Kapitalverkehrsfreiheit hat als einzige Grundfreiheit auch Drittstaatenwirkung.[21]Daher ist das in der Rs Persche ergangene Urteil auch mit Bezug auf Spenden zB in der Schweiz anwendbar. Der EuGH hält diesbezüglich aber fest, dass ein Ausschluss von an in Drittstaaten ansässigen Organisationen zulässig sei, wenn eine vertragliche Verpflichtung des Drittstaates zur Gewährung von Informationen fehlt. Somit könnten schweizerische gemeinnützige Stiftungen und Organisationen in der Regel damals noch nicht vom in der Rs Persche ergangenen Urteil profitieren. Dies hat sich aber mit 1. März 2011 geändert, da Schweiz Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens vorgenommen hat und neben einer Bestimmung über den Informationsaustausch nach dem OECD-Standard auch eine Aufnahme einer Schiedsklausel vereinbart würde. Die Bestimmungen finden somit für Veranlagungsjahre, die nach 1. Januar 2012 begannen Anwendung.
[1] EuGH 27.1. 2009, Rs C-318/07, Persche v. LG Münster, Slg. 2009, I-359.
[2] ABl. EU, C 247 vom 20.10.2007, 3.
[3] Vgl. Dr. Mirko Wolfgang Brill: Zulässigkeit des grenzüberschreitenden Spendenabzugs, Newsletter Steuerrecht, 2009, S. 13,S. 13
[4] BFH 9.5. 2007, XI R 56/05, Rn. 18.
[5] EuGH 15.9. 2006, Rs C-368/04, Stauffer, Slg. 2006, I-8203.
[6] BFH 9.5.2007, XI R 56/05, Rn. 32.
[7] Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. 12. 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten und indirekten Steuern.
[8] EuGH 27.1. 2009, Rs C-318/07, Persche v. LG Münster, Rn. 28f.
[9] Vgl. RA Jan Ole Luuk, RA Stefan Oesterhelt, RA Maurus Winzap: Abzugsfähigkeit von grenzüberschreitenden Spenden, Steuer Revue, 6/ 2009, S. 497, S. 498.
[10] Vgl. EuGh, Urteil v. 23.2.2006 – Rs C-513/03 (van Hilten-van der Heijden), Slg. 2006, I-1957, Rz. 42.
[11] EuGH 27. 1. 2009, Rs C-318/07, Persche, Rn.50; siehe auch GA Mengozzi, Schlussantrag vom 14.10. 2008 zu Rs C-318/07, Persche, Rn. 75.
[12] Vgl. Andreas Richter, Anna Katharina Golllan: Non-Profit-Recht konkret, npoR Heft, 1/2009, S. 19.
[13] Persche, Rn.51.
[14] Persche, Rn.52.
[15] Persche, Rn.66.
[16] EuGH 27. 9. 2007, Rs C-184/05, Twoh International, I-7897.
[17] Vgl. EuGH, Urteil v. 14.9. 2006 - Rs C-386/04 (Centro Musicologia Walter Stauffer).
[18] Vgl. Veronika Dauerer, Die Rs. Persche: Spenden auf dem Prüfstand des Gemeinschaftsrechtes, SWI 2009, S. 385, S. 394.
[19] Vgl. Europäische Kommission, Direkt Steuern, Pressemitteilung Nr. IP/09/428 vom 19. 3. 2009.
[20] EuGH 16.6. 2011, Rs C-10/10, noch nicht in Slg., Europäische Kommission v. Republik Österreich.
[21] Vgl. Nina Wunderlich/Christoph Blaschke, Die Gewährleistung der Kapitalverkehrsfreiheit in Bezug auf Drittstaaten - Neuere Entwicklungen in der Rechtsprechung des EuGH, IStR 2008, S. 754 ff., S. 755.