Den Grund für dieses Zurückziehen in die Wälder ist der Hass gegen alle Konventionen und Gesetze, denen sich vor allem Karl Moor entledigen möchte. Zu Beginn der Szene brüskiert sich Karl wutentbrannt über die damalige Gesellschaft. Er schimpft auf die Gelehrten, die selbst keine Ideen mehr verwirklichen, sondern nur noch über die vergangenen Heldentaten großer Männer berichten und diese sogar kritisieren (vgl. S.21 Z.34 – S.22 Z.11). Er macht seinem Ärger Luft, indem er sein Jahrhundert als „Kastratenjahrhundert“ (S.22 Z.22) bezeichnet und seinen Mitmenschen vorwirft, nichts zu tun, außer „die Taten der Vorzeit wiederzukäuen“ und „die Helden des Altertums mit Kommentationen zu schinden und zu verhunzen mit Trauerspielen“ (S.22 Z.23-25). Karl rebelliert sowohl gegen die Konventionen, die die Gesellschaft ihm auferlegt, als auch gegen die Gesetze, die der Staat aufstellt. Er spricht sich gegen den damals herrschenden Absolutismus aus und möchte aus Deutschland eine Republik machen (vgl. S.23 Z. 21f). Da Karl ein Mensch ist, der die Freiheit liebt, stellen staatliche und gesellschaftliche Vorschriften für ihn Schnüre dar, die ihm wie ein Korsett die Luft nehmen. Deutlich wird dies auf S.23 in Z.18-20 als er sagt: „Ich soll meinen Leib pressen in eine Schnürbrust und meinen Willen schnüren in Gesetze“. Weiter sagt er: „Das Gesetz hat zum Schneckengang verdorben, was Adlerflug geworden wäre“. Damit will er behaupten, dass die Menschen durch die Gesetze des Staats so beschränkt und gebunden sind, dass sie niemals die großen Taten vollbringen können, die sie als freie Menschen vollbracht hätten.
Karls Hass gegen die Gesellschaft ist so groß, dass er in seinen Räuberfreunden Gleichgesinnte sucht, die die gleichen Ansichten vertreten wie er. Dieser Freundschaftskult ist ein weiteres typisches Merkmal des Sturm und Drang. Die Verbundenheit innerhalb der Räuberbande lässt sich oft durch die Anreden unterhalb der Freunde sehen. So nimmt zum Beispiel Karl Spiegelberg lächelnd bei der Hand und nennt ihn „Kamerad“ (S.24 Z.10). Auch Spiegelberg nennt ihn auf S.25 Z.31 „Bruder“. Als Moor die Schreckensnachricht in dem Brief liest und geschockt ist, sind die anderen Räuber sehr besorgt um ihn und zeigen Interesse an seinem Schicksal. Auch dies weist auf eine enge Freundschaft hin. Außerdem muss beachtet werden, dass Karl gerade eben durch den Brief seines Bruder erfahren hat, dass sein Vater in ihm scheinbar nicht mehr seinen Sohn sieht. Somit hat Karl seine Heimat, wie auch seine Familie verloren, was er nun beides in seinen Freunden zu finden meint. In dem Satz, den seine Freunde sagen: „Ohne den Moor sind wir Leib ohne Seele“, kann ebenso die enge Verbundenheit, die untereinander herrscht, gesehen werden (S. 34 Z.28f).
Vor allem der gemeinsame Traum von Freiheit und Verwirklichung ihrer Ideen bindet sie eng
aneinander.
Ihre Fantasien über ein besseres Dasein zeigt aber oft auch Größenwahn und Geniekult. Insbesondere Spiegelberg fällt immer wieder durch seine übertriebenen Reden auf. Auf S. 26 in Z.20 beginnt er von seinen egozentrischen und größenwahnsinnigen Träumen und Ideen zu erzählen und fängt im Verlauf der Szene immer wieder damit an. Er hält sich für den Größten, der die ganze Welt ändern kann. Dies zeigt sich zum Beispiel als er zu Moor sagt „Der Mut wächst mit der Gefahr; die Kraft erhebt sich im Drang. Das Schicksal muss einen großen Mann aus mir haben wollen, weil's mir so quer durch den Weg streicht“. Auch steht er einmal auf und sagt „Wie es sich aufhellt in mir! Große Gedanken dämmern auf in meiner Seele! Riesenplane gären in meinem schöpferischen Schädel“ (S.27 Z.11ff). Er hält sich für ein unfehlbares Genie und sehnt sich nach „Ruhm und Unsterblichkeit“ (S. 32 Z.3), als ob er ein Gott wäre. Spiegelberg denkt, die Welt läge ihm zu Füßen und er könnte alles erreichen. Aber auch in Karl brennt es, die Gesellschaft durch seine Taten zu ändern. Er sehnt sich danach, seine Träume in die Wirklichkeit umzusetzen: „Mein Geist dürstet nach Taten“ (S.36 Z.21). Durch seinen Tatendrang und Gefühlsausbrüche stellt er das typische Genie des Sturm und Drang dar.
Gerade diese Gefühlsausbrüche Karls zeigen oft eine Überbetonung der Emotionalität in dem Drama. Vor allem bei seinen Regieanweisungen kann man erkennen, wie stark er sich bei
hitzigen Debatten erregen kann. Einmal stampft er zum Beispiel mit dem Fuß auf den Boden (S.23 Z.9), im nächsten Moment wirft er einen Degen auf den Tisch und steht auf (S.23 Z.23f) und dann plötzlich lacht er wieder aus vollem Halse (S.23 Z.31). Dabei können die Gefühle von einem
Moment zum anderen komplett veränderbar sein. In dem einen Moment will er sich von den Räubern abwenden (vgl. S. 28 Z. 38f) und verabschiedet sich. Im anderen Moment, als er die Nachricht von seinem Vater liest, beschließt er sofort aus einem Impuls heraus, mit ihnen eine Bande zu gründen. Diese plötzlichen Gefühlsschwankungen lassen sich bei Karl häufiger beobachten. Gefühle, wie Wut und Enttäuschung über seinen Vater sind seine wahren Beweg-gründe.
Auch die anderen Räuber lassen sich schnell durch ihre Emotionen beeinflussen. Als Moor sich entschließt, Hauptmann zu werden, und die anderen in einer mitreißenden Rede dazu auffordert, sich ihm anzuschließen (vgl. S. 36 Z.19-35)), stimmen diese sofort euphorisch zu. Sie gehen sogar soweit, ihm „Treue und Gehorsam bis in den Tod“ (S.36 Z.36f) zu schwören.
(Es fehlt noch III.)